Stefan Walz

|

November 3, 2025

|

7 min. Lesezeit

Von Rankings zu Relevanz: Wie Marken im Zeitalter der Antwortmaschinen sichtbar bleiben

Während die einen bei „GEO“ noch an ihr Erdkundebuch denken, treibt die anderen  unter diesem Begriff die nächste große Marketing-Herausforderung um: Trotz stabiler Rankings sinkt der Traffic auf Ihren digitalen Kanälen? Ihre Inhalte erscheinen zwar in KI-Suchen, doch die Website-Besucher bleiben aus? Willkommen in der Welt der generativen KI-Suche. Und der Frage, was das für Ihre digitale Strategie bedeutet.

 

Die Suche im Wandel

Die Antwort liegt nicht bei schlechterem Content oder verschärftem Wettbewerb. Es liegt am sich verändernden Suchverhalten der Nutzer: Ein B2B-Einkäufer, der früher Ihre Website besucht hat, fragt heute ChatGPT: „Welche CRM-Systeme eignen sich für Mittelständler?“ Die KI antwortet und der Nutzer ist zufrieden – ohne dass er auf einen Link geklickt hat.

Erste Zahlen zeigen das Ausmaß: Unternehmen verzeichnen Traffic-Rückgänge um bis zu mehr als 30%, die sich nicht durch klassische SEO-Faktoren erklären lassen.
Gartner rechnet damit, dass der organische Suchtraffic im nächsten Jahr um 25% sinken wird. Dieser Traffic wandert nicht zur Konkurrenz, er verschwindet einfach.

Was ist GEO? Und warum reden plötzlich alle davon?

Generative Engine Optimization, kurz GEO, heißt die aktuelle Antwort auf diese Veränderung. Der Begriff beschreibt die Optimierung von Inhalten für KI-gestützte Suchsysteme.

Dabei geht es nicht mehr darum, auf Position eins einer Suchergebnisseite zu stehen. Sondern darum, ob ChatGPT, Google Gemini, Perplexity und andere KI-Suchsysteme ein Unternehmen oder Produkt in ihrer Antwort erwähnen und korrekt darstellen.

Was treibt das Thema?

Google rollt aktuell seine AI Overviews aus – KI-generierte Antworten über den klassischen Suchergebnissen. Gleichzeitig nutzen immer mehr Unternehmen ChatGPT und ähnliche Tools zur Informationssuche. Diese Entwicklungen beeinflussen massiv das Suchverhalten. Die Folge: Click-Through-Rates und Traffic sinken spürbar.

 

Warum sinkt mein Traffic trotz guter Rankings?

Generative KI-Systeme funktionieren anders als klassische Suchmaschinen. Googles AI Overviews und andere KI-Suchsysteme durchsuchen das Internet, synthetisieren Informationen aus mehreren Quellen (RAG) und präsentieren eine fertige Antwort. Die Folge: Der Anreiz, auf einen Link zu klicken, sinkt.

Während eine klassische Suchergebnisseite 10 oder mehr Links zeigt, nennt eine KI-Antwort typischerweise nur 2-7 Quellen. Die Folge: Sichtbarkeit wird zur knappen Ressource.

Insbesondere im B2B-Kontext verändert sich die Buyer Journey massiv. Während frühe Phasen – Information Gathering, Evaluation – bisher meist auf Unternehmenskanälen stattfanden, laufen sie zunehmend über KI-gestützte Recherche. Erst später, bei konkretem Interesse, landen Nutzer auf Ihrer Website. Wenn überhaupt.

 

So entscheidet die KI, wer genannt wird und wer nicht

In ihren Antworten nennen oder verlinken (zitieren) KI-Suchsysteme die Ursprungsquelle – idealerweise. Gewährleistet ist beides nicht. Um hier Erfolge zu erzielen, zählen drei Faktoren besonders:

Semantische Relevanz statt Keywords:  Umfassende, verständliche Antworten auf echte Fragen zählen mehr als Keyword-Nennungen.

Autorität und Vertrauen: Die Faktoren, die Google als E-E-A-T (Experience, Expertise, Authoritativeness, Trustworthiness) beschreibt, werden noch wichtiger. KI-Systeme wollen nichts Falsches behaupten, also bevorzugen sie etablierte und vertrauenswürdige Quellen.

Ganzheitlichkeit: Die Systeme bewerten nicht nur ihre spezifische Domain, sondern erfassen ein umfassendes Gesamtbild einer Marke. Dabei werden sämtliche im Netz verfügbaren Informationen berücksichtigt, von den eigenen Inhalten bis hin zu Erwähnungen durch klassische PR und Öffentlichkeitsarbeit.

 

Was bedeutet diese Entwicklung für Unternehmen?

Die unbequeme Wahrheit

Die KI baut auf der Expertise von Marken und Unternehmen auf und beantwortet Fragen mit Ihrem Wissen. Der Nutzer ist zufrieden. Aber die Kundenbeziehungen bauen Andere auf.

Ein Beispiel: Der ausführliche Leitfaden zu einem komplexen B2B-Thema wird von der KI perfekt zusammengefasst. Der Nutzer bekommt in 30 Sekunden, wofür er früher 10 Minuten auf einer Website gebraucht hätte. Warum sollte er noch klicken?

 

Das sind die neuen Erfolgszahlen

Die bisherigen Marketing-Dashboards erzählen also nicht mehr die ganze Geschichte. Ein gutes Ranking bleibt zwar relevant, garantiert aber nicht weiterhin automatisch Traffic. Auch Traffic allein ist keine verlässliche Erfolgsgröße mehr. Denn die wenigen Website-Besucher kommen ggf. schneller zum Kaufabschluss, da sie bereits gut vorinformiert sind.

Die neuen Metriken…

Die gerade entstehenden GEO-Tools bieten dafür neue Kennzahlen an:

  • AI Visibility: Die Sichtbarkeit einer Marke oder eines Unternehmens über verschiedene KI-Plattformen hinweg. Meist ChatGPT, Google, Perplexity und Copilot
  • Share of Voice: Die eigene Sichtbarkeit in KI-generierten Antworten im Vergleich zum Wettbewerb.
  • Citations: Wie oft wird die eigene Domain oder spezifische URLs in KI-Antworten zu relevanten Themen verlinkt?
  • Sentiment: Nicht nur ob, sondern wie die eigene Marke dargestellt wird.

Der Bezug zum Business: Sichtbarkeit in KI-Antworten beeinflusst, ob ein Unternehmen überhaupt in die Consideration Sets einer Zielgruppe gelangt. Wer bei frühen Recherchen nicht auftaucht, kommt später nicht ins Spiel.

…und ihre Tücken

Diese Metriken sind ein Anfang, haben aber einen Haken: Sie zeigen nur einen Ausschnitt. Gängige Tools testen mit standardisierten Prompts – echte Nutzer fragen aber anders. Sie formulieren individuell, kontextbezogen, oft mit komplexen Verkettungen. Entscheidend ist daher, sowohl den eigenen Content als auch den des Wettbewerbs zu analysieren und mit echten Nutzungsdaten abzugleichen, um ein besseres Verständnis zu erlangen, welche Fragen die eigenen Kunden tatsächlich stellen.

 

Wenn niemand mehr klickt – wozu dann die Website?

Die taktisch geprägte Diskussion über GEO übersieht allerdings eine noch tiefer liegende strategische Herausforderung.
Denn GEO behandelt ein Symptom: Wie sorge ich dafür, dass KI-Systeme mich kurzfristig in ihren Antworten zitieren und ich sichtbar bleibe?

Die eigentlich noch spannendere Frage lautet aber: Welche Aufgabe erfüllt meine Website in einer Welt, in der potenzielle Kunden bereits tief informiert ankommen – oder gar nicht mehr ankommen?

Oder anders gefragt:
Welchen unverwechselbaren Nutzen erhalten Besucher einer Website in Zukunft, der nicht bereits in einer KI-Zusammenfassung stand?

Es zeichnet sich bereits jetzt ab: Die Erwartungen an digitale Touchpoints verändern sich fundamental. Menschen gewöhnen sich daran, Computern nicht mehr Befehle zu geben („Zeig mir…“), sondern Ergebnisse zu erwarten („Ich brauche…“). Die KI übersetzt, sucht, synthetisiert, schlägt vor. Und entscheidet selbst, auf welchem Weg sie dieses Ergebnis erreicht.

Das ist mehr als eine neue Art der Suche. Es ist ein Paradigmenwechsel in der Interaktion mit digitalen Systemen.

Die Aufgabe besteht darin, die eigene digitale Experience so zu gestalten, dass sie in einer Welt generativer KI einen echten, messbaren Mehrwert liefert.

Das erfordert ein ganzheitliches Verständnis der eigenen Marke, Inhalte und Daten. Nicht nur eine Optimierung einzelner Seiten. Es bedeutet eine strategische Neuausrichtung dessen, was eine digitale Präsenz leisten soll.

 

Der unfaire Vorteil: Was nur Ihre Website kann

Um diese strategischen Fragestellungen zu lösen, müssen Datenexpertise und Experience Design Hand in Hand gehen. Denn es geht nicht nur darum, gefunden zu werden, sondern auch gewählt zu werden. Die Tür zu öffnen, aber auch dafür zu sorgen, dass jemand hereinkommt – und bleibt.

Aus dieser Motivation ist die Kooperation von moresophy und practical entstanden: Datenbasierte Insights und darauf aufbauende Experience-Strategien – zwei Disziplinen, die in der Praxis oft getrennt operieren.

Die digitale Customer Experience der Zukunft muss mehr sein als ein Informationsspeicher. Sie muss gewährleisten, dass aus Interesse Vertrauen wird. Und dass aus KI-Snippets eine Kundenbeziehung entsteht.

Stefan Walz

Founder and Creative Director at Practical GmbH

Stefan Walz ist Gründer und Geschäftsführer von practical, einer Design Consultancy, die an der Schnittstelle von UX-Design und künstlicher Intelligenz arbeitet.

Mit über 20 Jahren Erfahrung als Kreativer und Stratege hat er in verschiedenen Stationen in Werbung und digitalen Kommunikation (u.a. Jung von Matt, Accenture, thjnk) sowie als Gründer der Digitalagentur Shift digitale Strategien für namhafte Kunden entwickelt – darunter PwC, Frankfurter Buchmesse, Mercedes, Hyundai, Rabobank und Vodafone. Jetzt beschäftigt er sich intensiv mit der Frage, wie und warum künstliche Intelligenz die digitale Customer Experience fundamental verändert.

Seine Überzeugung: „Customers don’t value technology, they value the experience it enables.“

practical_gmbh_logo

Practical

practical ist eine Design Consultancy, die digitale Customer Experience für das KI-Zeitalter neu denkt. Das Unternehmen verbindet Business-Strategie mit konkreten Design-Ergebnissen und bringt KI-Technologie mit tiefgehender UX-Expertise zusammen. Das Ziel: Personalisierte Erlebnisse schaffen, die emotional berühren, inspirieren und neue Business-Potenziale freisetzen.

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